Die kleine Kaffeerösterei um die Ecke, der Barista in Berlin und gefühlt jeder, der irgendetwas mit der Kaffeebranche zu tun hat, redet darüber: „Specialty Coffee“ ist heutzutage in aller Munde, und das sogar wortwörtlich.
Während die meisten Kaffee-Trends für wahre Coffee Professionals spätestens dann ihr jähes Ende finden, wenn sie bei Starbucks und ähnlichen Coffee Shops Einzug halten, verhält es sich mit echtem Spezialitäten Kaffee anders. Dahinter stecken nämlich Werte und Prinzipien, die sich langfristig in der Kaffeewelt etablieren und – hoffentlich – durchsetzen werden:ka
- Ein Bekenntnis zur Wichtigkeit der Herkunft des Kaffees
- Eine Anerkennung der Arbeit, die in jeder einzelnen Kaffeebohne steckt
- Eine deutliche Aufforderung an den Konsumenten, diese Mühe zu würdigen
Diese Anforderungen spiegeln sich im Preis, einer fairen Wertschöpfungskette, einer umsichtigen Röstung und einer gezielten Zubereitung der speziellen Kaffeebohnen wider.
Das funktioniert nur, wenn die dahinterstehenden Standards kontrolliert und eingehalten werden. Welche das sind, wer sie setzt und wie sie überprüft werden, erklären wir Ihnen in diesem Ratgeber.
Inhaltsverzeichnis
- Third Wave Coffee & Fruchtsäure: Was ist „Specialty Coffee“?
- Herkunft, Röstung & Zubereitung: Merkmale Spezialitätenkaffee
- Cupping & Punkte: Wie werden Kaffeebohnen zu Kaffeespezialitäten?
- Kaffeetester werden: Vom Flavor Wheel zum Q Grader
- Kaffeeröster oder Supermarkt: Wo gibt’s „Specialty Coffee“?
- „Specialty Coffee“ kaufen: So sind Sie im Kaffeehandel sicher
- Blockchain für die Kaffeebohne: Krypto-Kaffee als Zukunftsmodell?
- Fazit: Vom „Specialty Coffee“ zur Normalität
Third Wave Coffee & Fruchtsäure: Was ist „Specialty Coffee“?
Der Begriff klingt ein wenig danach, als wolle ein Café irgendwo in Deutschland seine viel zu hohen Preise für ein super-hippes Getränk rechtfertigen. Tatsächlich entspringt die Bezeichnung dem „Third Wave Coffee“, der in den 1980er und 90er Jahren in Übersee begann.
Diese Trendwelle brachte schließlich in den 2000ern den Hype um extrahelle Röstungen auch nach Deutschland. Plötzlich war Kaffee nicht mehr bloß Kaffee. Er musste mit zarten Aromen, raffinierten Säuren und einem möglichst aufwändigen Brühverfahren überzeugen.
Ganz neu waren diese Faktoren in der Kaffeewelt aber nicht mehr. Das Bekenntnis zu Reinheit und Qualität des Kaffees wurde bereits 1974 unter dem Begriff „Specialty Coffee“ geprägt. Von der Norwegerin Erna Knutsen.
Sie gilt als Patin des Spezialitätenkaffees. Während ihrer Tätigkeit als Sekretärin bei einem Kaffeeimporteur in den USA lernte sie, Massenware und exzellente Bohnen auseinanderzuhalten.
Dieses Wissen half ihr später bei der Gründung ihres eigenen Kaffeehandels. Sie wollte es aber besser machen als die große Kaffeeindustrie: Als eine der ersten legte sie Wert auf hochwertige Kaffeebohnen höchster Qualität und gab sämtliche dazugehörigen Informationen an ihre Kunden weiter.
Plötzlich konnte der Kaffeetrinker professionell mitreden und wusste alles über die Entstehungsgeschichte des Kaffees und die Herkunft seiner Bohnen. Diese Art der Transparenz gewann schnell an Beliebtheit und wurde über Newsletter verbreitet.
Die 2018 verstorbene Erna Knutsen legte damit den Grundstein für die heutige Welt des Specialty Coffee – und öffnete so die Pforten für einen globalen Trend mit Zukunftspotenzial.
Herkunft, Röstung & Zubereitung: Merkmale Spezialitätenkaffee
Es ist schwierig, das Konzept hinter Spezialitätenkaffee ganz zu durchschauen, ohne gewisse Widersprüche auszumachen. Das beginnt schon dabei, dass Röstung, Aromen oder Intensität bei der Titelvergabe keine Rolle spielen – wohl aber bei der Bewertung. Aber eins nach dem anderen.
Zunächst muss „Specialty Coffee“ drei wesentliche Kriterien erfüllen:
- Bekenntnis zur Herkunft: Die Anbaugebiete und deren Mikroklima, das Ursprungsland und sogar die Region mit ihrer Bodenbeschaffenheit müssen sich in den Geschmacksprofilen der Bohnen widerspiegeln.
- Röstung: Der Kaffeeröster muss den Rohkaffee mit höchster Sorgfalt passend zur natürlichen Stilistik verarbeiten und dabei den natürlichen Aromen der Bohne gerecht werden.
- Zubereitung: Die Kaffeebohnen werden gezielt auf eine Zubereitungsart abgestimmt, die von der Brühzeit, der Temperatur bis zur Methode mit ihrer Herkunft und Röstung harmoniert.
Die Einordnung dieser Richtlinien gehen Hand in Hand und werden nicht von irgendwelchen Baristas definiert. Die gesamte Kaffeewelt verlässt sich bei der Beurteilung auf die Kaffeeexperten einer Organisation, der Specialty Coffee Association (SCA).
Diese ist 2017 aus einem Zusammenschluss der SCAE (Specialty Coffee Association Europe) und der SCAA (Specialty Coffee Association America) entstanden. Seither ist die SCA eine globale Non-Profit-Organisation, die sich der Qualität von Kaffee verschrieben hat. Erna Knutsens Vorbild und Einfluss ist dabei bis heute spürbar.
Die Specialty Coffee Association Germany als deutsche Vertretung sitzt natürlich in der Kaffeehauptstadt Hamburg.
Die Aufgaben der SCA sind vielfältig:
- Sie ist Qualitäts-Wächter des gesamten Kaffee-Globus.
- Sie führt Wettbewerbe und Ausbildungen durch.
- Sie findet neue Strategien für Kaffee-Initiativen auf der ganzen Welt.
Vor allem aber bildet die SCA Kaffeetester aus, die nach einem standardisierten Verfahren Kaffeeverkostungen durchführt. Aus diesen Beurteilungen entsteht der „Cupping Score“, an dem sich die Einstufung als „Specialty Coffee“ ablesen lässt.
Cupping & Punkte: Wie werden Kaffeebohnen zu Kaffeespezialitäten?
Ab einem Cupping Score von über 80 handelt es sich um Spezialitätenkaffee. Kaffeesorten mit weit über 80 Punkten besitzen eine außergewöhnliche Qualität, sind besonders selten und/oder besonders teuer. Alles unter 80 Punkten ist einfach nur Kaffee.
Die Bewertung passiert dabei höchst standardisiert. Anders als wir in unserem Kaffeebohnen-Test verwendet die SCA eine starre Skala, anhand derer mehrere Kaffeetester nüchtern und objektiv die Qualität des Kaffees bewerten. Im Cupping Protocol wird die Beurteilung in folgenden Kategorien festgehalten:
- Aromen & Duft
- Geschmack & Nachgeschmack
- Säure, Körper & Balance
- (Gustatorische) Defekte
- Gesamteindruck
- Süße, Einheitlichkeit, Clean Cup
Die Cleanliness oder „Clean Cup“ steht dafür, dass der Verkoster seine Eindrücke vom ersten Schluck bis zum Nachgeschmack festhält.
Die jeweilige Tasse darf nur Kaffeegeschmack und zugehörige Noten mitbringen. Störende Eindrücke wie verbranntes Gummi oder dergleichen wirken sich mindestens negativ auf die Bewertung aus, eher führen sie zur sofortigen Disqualifikation.
Durch diese Vorgehensweise hat jeder Kaffee unabhängig von seinem Ursprung eine Chance, die SCA-Analyse als „Specialty Coffee“ zu verlassen. Anders als wir, fängt die Bewertung nämlich nicht bei Kaffeeanbau und Direct Trade an, sondern dreht den Spieß komplett um:
Wird auf der jeweiligen Kaffeefarm eine sorgfältige Auslese des Rohkaffees betrieben und anschließend bei Verarbeitung und Röstung alles richtig gemacht, merken die SCA-Profis das definitiv in der Tasse.
Blends – also Mischungen aus unterschiedlichen Regionen und Sorten – haben hingegen gar keine Chance, im Sinne der SCA zu Spezialitätenkaffee erklärt zu werden. Denn sie ergeben nach gültigem Protokoll kein reines Geschmacksbild.
Dadurch wirkt ein wirklich hochwertiger Blend im Vergleich zu einem Single Origin mit SCA-Siegel weniger hochwertig. Das zeigt die Schwäche dieser Bewertung. Denn natürlich kann ein Premium Blend mühelos auf derselben Qualitätsstufe stehen wie 80-Punkte-Origins.
In einer durchdachten Komposition und sorgfältigen Röstung kann diese Symphonie mehrerer Kaffees ein unheimlich spannendes Aromenspiel mit wunderbarer Komplexität entwickeln. Ein prämierter Single Origin in Kombination mit einem zweiten kann schließlich auch keinen schlechteren Kaffee ergeben.
Für den Genuss zu Hause und die heimische Kaffeezubereitung im Kaffeevollautomaten spielt das aber schlussendlich keine Rolle. Und die Coffee Professionals vom SCA müssen sich an ihr Protokoll halten, wie sie es gelernt haben.
Kaffeetester werden: Vom Flavor Wheel zum Q Grader
Kaffee rösten können Sie im Schlaf, Sie ordnen jedes einzelne Aroma fast automatisch seiner Kategorie zu und zerlegen das Geschmacksprofil jeder Tasse bis ins Mikro-Molekül? Dann sind Sie vielleicht der geborene Kaffeeverkoster.
Es gibt verschiedene Ausbildungsstätten, die Kurse nach SCA-Standards inklusive offiziellem Zertifikat anbieten. Diese sind allerdings sehr preisintensiv und verlangen Engagement und Vorwissen.
Das Auswendig-Kennen des Flavour Wheel ist ebenso Voraussetzung wie detaillierte Kenntnisse über das Rösten und zugehöriges Equipment.
Am Ende der Ausbildung müssen Sie mehrere Prüfungen bestehen und Degustationen durchführen. In diesen Degustationen müssen Sie den Kaffee exakt nach den Kriterien der SCA beurteilen können. Sämtliche Vorbereitungen inklusive Rösten müssen Sie dabei selbst übernehmen. Wer das schafft, muss sich darüber hinaus alle drei Jahre rezertifizieren.
Eine der bekanntesten Ausbildungen ist jene zum Q-Grader (Q für Qualität). Sie wird vom Coffee Quality Institute (CQI) – einer Ausgründung der SCA – auf der ganzen Welt angeboten. In Deutschland gibt es beispielsweise Ausbildungsstätten in Münster und Berlin.
Klar, dass vor allem Coffee Roasters den Aufwand und die Kosten für diese Ausbildung auf sich nehmen. Denn sie profitieren nicht nur selbst davon:
Kaffeeröster oder Supermarkt: Wo gibt’s „Specialty Coffee“?
Die aufwändigen Prozesse, die irgendwann zum SCA-zertifizierten Label führen, haben nur ein Ziel: mehr Qualität und Anerkennung für Kaffee. Vom Kaffeebauern bis zum Kaffeegenuss des Endkunden.
Der Begriff „Specialty Coffee“ ist dennoch nicht geschützt. Natürlich würde sich aber kein Kaffee-Unternehmen unter den wachsamen Augen der SCA und der ganzen Specialty Coffee-Community trauen, das Siegel unerlaubt zu verwenden.
Wenn Sie sich im Supermarkt Kaffee-Regal umsehen, werden Sie aber ähnliche Bezeichnungen finden. Von „Spitzenkaffee“ über „Auslese“ bis hin zu „Spezialität“ (ohne Kaffee dahinter) ist da alles möglich dabei. Gerne noch kombiniert mit einem Barista-Stempel.
Einen echten Spezialitätenkaffee werden Sie darunter allerdings nicht finden. Denn die Big Player bieten allesamt nur undefinierte Blends an, die den Standards der SCA weder in Sachen Röstaroma, noch in Geschmack, Körper oder sonst einem Kriterium der Skala gerecht werden können.
„Specialty Coffee“ kaufen: So sind Sie im Kaffeehandel sicher
Auf die Kriterien für wirklich guten Kaffee gehen wir in der Ratgeberreihe zu diesem Test genau ein. Unser Kaffeebohnen-Test ist ein genereller Leitfaden. Nutzer von Kaffeevollautomaten erfahren bei uns, welcher der beste Kaffee für Vollautomaten ist. Außerdem arbeiten wir an einem speziellen Ratgeber zu Bio-Kaffee und nachhaltigem Kaffee.
Dabei vergeben wir anders als die SCA keinen Punktabzug für gemischte Blends oder unsaubere Frucht-Aromen. Was wir aber mit den strengen Testern gemeinsam haben, sind die Anforderungen an Transparenz und Fairness. Diese gehen weit über Fair Trade hinaus.
Wir möchten die Kaffeekirschen bis zu ihrem Strauch in Costa Rica oder Äthiopien zurückverfolgen können. Nur so sind wir sicher, dass wir ein Naturprodukt höchster Qualität und Nachhaltigkeit in unseren Kaffeevollautomaten oder Siebträger bekommen – und nicht auf gutes Marketing hereingefallen sind.
Und so erkennen Sie wahren Spitzenkaffee:
- Die Herkunft wird bis zum einzelnen Kaffeebauern transparent angegeben
- Sie bekommen Informationen zu Anbau und Ernte des Rohkaffees im jeweiligen Land
- Es gibt keine Zwischenhändler
- Die gesamte Wertschöpfungskette gestaltet sich fair und nachhaltig
- Die Kaffeerösterei legt die gesamte Preisbildung offen
- Die Bohnen glänzen mit einer sauberen Röstung und kommen mit Hinweisen zu Mahlgrad und Zubereitung
- Die Kaffeebohnen sind frisch geröstet, wenn Sie sie kaufen
Ein gutes Beispiel dafür sind unsere Freunde von Coffeeness.
Kaffee entwickelt für den Vollautomaten
Coffeeness Kaffee eignet sich bestens für alle Getränke aus dem Vollautomat.
Täglich frisch geröstet
Schokoladiges Aroma
Fair gehandelt
Für Espresso, Kaffee & Milchgetränke
Blockchain für die Kaffeebohne: Krypto-Kaffee als Zukunftsmodell?
Wir wollen nicht zu technisch werden, aber im Hinblick auf Fair Trade und Wertschöpfung können wir die Blockchain beim Thema Spezialitäten-Kaffee nicht ausklammern. Denn die Eckdaten sind durchaus vielversprechend:
Über öffentliche Datenbanken erfolgen nachvollziehbare Transaktionen, die für alle Beteiligten sichtbar sind. Kaffeeröster können ihre Bohnen sicher über Kryptowährungen wie Coffee Coin beziehen. Es gibt keinen Zwischenhändler, der sich einen Teil des Gewinns einsteckt. So bleibt – zumindest theoretisch – mehr Geld im Ursprungsland und beim Kaffeebauern.
Das stellt eine Optimierung für die Wertschöpfungskette jeder Handelsware dar – nicht zuletzt Kaffee. Wenn sich niemand mehr hinter alten Strukturen verstecken kann, wird der gesamte Ablauf automatisch transparenter und fairer – so zumindest die Annahme.
Fazit: Vom „Specialty Coffee“ zur Normalität
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Spezialitätenkaffee nicht mehr ein Trend aus der Ecke der Kaffee-Hipster ist, sondern die Norm. Der Weg dahin ist bereits geebnet. Dank Erna Knutsen und der „Specialty Coffee Association“ (Germany).
Egal, ob Sie Ihren Kaffee per Hand aufbrühen, mit dem Vollautomaten zubereiten oder zu Filterkaffee verarbeiten. Egal, ob Ihr Lieblingskaffee Espresso oder Milchkaffee heißt und ob Sie ihn am liebsten Zuhause oder im Café um die Ecke schlürfen: Leidenschaft, Fairness, Aroma und Qualität sollten keine Spezialität sein. Sie sollten selbstverständlich sein.
Daher wird Supermarkt-Kaffee hoffentlich gleichbedeutend sein mit „Specialty Coffee“ und den Testsiegern aus unserem Kaffeebohnen-Test. Und es wird nur mehr einen Namen dafür geben: Kaffee.
Wie fair trinken Sie denn Ihren Kaffee? Haben Sie ihren „Specialty Coffee“ bereits gefunden? Erzählen Sie es uns gerne in den Kommentaren!
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